Leben wertschätzen – Neue Wege für ein höheres Tierwohl

Im April fand die Veranstaltung „Leben wertschätzen – Neue Wege für ein höheres Tierwohl“ statt, die der Bundestagsabgeordnete Rainer Spiering moderierte. Als Referent sorgte Prof. Dr. Werner Wahmhoff, der stellv. Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), für eine gemeinsame Wissengrundlage aller Beteiligten. Dabei führte er den Anwesenden eine in Teilen schiefe Wahrnehmung der Gesellschaft vor Augen.

Rainer Spiering (MdB) begrüßt Teilnehmer und Gäste der Veranstaltung
Bild 1: v.l. Rainer Spiering, Renate Geuter, Ulrich Westrup, Prof. Wahmhoff

Während auf 80% der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland der Tierbestand abnimmt und auch der Gesamttierbestand seit Jahren rückläufig ist, geht die gesellschaftliche Wahrnehmung von einem Anstieg aus.

Was stimmt ist, dass die Anzahl der Nutztiere pro Betrieb zunimmt. In der Landwirtschaft findet ein Konzentrationsprozess statt, der vor allem im Nordwesten und in Bayern zu Großvieheinheiten führt, während die Nutztiere in den anderen Regionen schwinden. Prof. Wahmhoff machte zudem klar, dass das Tierwohl nicht von der Größe des Betriebs abhängt, sondern von der konkreten Haltung, die sowohl bei kleinen als auch bei großen Betrieben gut oder schlecht sein kann. Aus diesen und weiteren Gründen hat die DBU ein Projekt aufgesetzt, das in Zusammenarbeit mit 14 landwirtschaftlichen Höfen Tierwohl testet. Hierfür wurden Tiergerechtigkeitsindikatoren festgelegt. Die Kriterien reichen von der Haltungsumwelt (z.B. Stall, Platz, Auslauf) bis zur Tiergesundheit (Krankheitsfälle, Todesfälle, Medikamentengabe). Auf diese Weise soll zum einen Tierwohl messbar werden und zum anderen sollen sich davon Erkenntnisse gewinnen lassen, wie die Ställe der Zukunft aussehen müssen.

Nach dem Vortrag konnte Rainer Spiering, neben Prof. Wahmhoff, die Landtagsabgeordnete Renate Geuter (Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung) und den Landwirt Ulrich Westrup (Vorsitzender und Vizepräsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft) auf dem Diskussionspodium begrüßen.

Unter den drei Fachleuten entspann sich eine rege Diskussion. Einig waren sich alle, dass im Bereich der Landwirtschaft zu wenig Grundlagenforschung betrieben wird. Beispielsweise gibt es seit Jahrzehnten den haltlosen Zustand, dass männliche Küken vergast oder geschreddert werden, weil sie im Betrieb nicht gebraucht werden. Erst vor wenigen Jahren gab es Fördergelder, um alternative Wege erforschen zu lassen. In etwa zwei Jahren wird es einen marktreifen Test geben, der bereits im Ei das Geschlecht des Kükens bestimmen kann. Nach Meinung des Podiums ist diese Vorgehensweise richtig: Problem erkennen, Forschung betreiben und die Ergebnisse in der landwirtschaftlichen Praxis umsetzen.

Abschließend konnte sich das Publikum mit Fragen einbringen, was die Zuschauer auch rege nutzten. Die Wortmeldungen kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Ein Landwirt stellte beispielsweise dar, dass er der Gesellschaft Markenfleisch angehört, die eine Zeitlang ein eigenes Qualitätslabel betrieben hatte, das gewisse Standards garantierte, die zu einem höheren Endpreis führten. Inzwischen wurde das Label eingestellt, weil der Verbraucher den Aufpreis nicht angenommen hat.
Eine Tierärztin gab zu bedenken, dass das Gesellschaftsbild über Tierhaltung fremdvermittelt ist (Werbung, Nachrichten), die wenigsten Verbraucher sich aber tatsächlich mal einen Bauernhof anschauen. Sie warb dafür, dass Verbraucher, Tierärzte und Tierhalter viel öfter direkt miteinander kommunizieren sollten, wie an diesem Abend. Eine ganz praktische Frage war, wie der Verbraucher denn im Handel gute Produkte (Milchprodukte, Fleischprodukte) erkennen kann? Die Antwort des Podiums: Eher Markenprodukte kaufen, regional kaufen, möglichst direkt beim Erzeuger kaufen, die Etiketten lesen und vor allem: Nachfragen, sei es im Handel oder beim Landwirt. Gerade die Landwirte geben in der Regel gerne Auskunft über ihre Produkte.

Als Fazit der gelungenen Veranstaltung kann wohl festgehalten werden, dass gerade im Stallbau und in der Forschung zum Stallbau ein hohes Tierwohlpotential liegt. Zudem muss generell mehr Grundlagenforschung betrieben werden. Als drittes sollte der Dialog aller Beteiligten aufrechterhalten werden, da so eine gegenseitige geistige Befruchtung stattfinden kann.